Henri Marteau: Das Erbe des Violinvirtuosen

    ​

Im einstigen Zuhause des Violinvirtuosen Henri Marteau (1874–1934) liegt bis heute der Fokus auf Musik. Im Garten unterhalb der Künstlervilla in Lichtenberg (Lkr. Hof), heute Internationale Musikbegegnungsstätte des Bezirks Oberfranken, befindet sich die Grabstätte des großen Geigers, dessen Tod sich am 4. Oktober zum 90. Mal jährte.

Das Gedenkjahr 2024 mit dem 150. Geburtstag und dem 90. Todestag von Henri Marteau beging der Bezirk Oberfranken mit einer Matinee und mit Vorträgen, die das Schicksal und das musikalische Genie des einstigen Hausherrn in den Mittelpunkt stellten.

Mit ihrer bewegten Geschichte und ihrer prunkvollen Ausstattung ist die 1912/13 errichtete Künstlervilla als Musikbildungsstätte in Europa einzigartig. Den Grundstein für die Bildungs- und Begegnungsstätte legte Marteau selbst mit seinen Sommerakademien, zu denen er seine begabtesten Schülerinnen und Schüler aus aller Welt einlud.

1980 erwarb der Bezirk Oberfranken die in einem Park gelegene Villa samt Interieur von Marteaus Nachfahren und baute sie zur Internationalen Musikbegegnungsstätte um, in der jährlich rund 40 Meisterkurse mit hochkarätigen Dozentinnen und Dozenten angeboten werden.

Bezirkstagspräsident Henry Schramm ist stolz auf diese hochrangige Kultureinrichtung: „In unseren Meisterkursen versammeln sich die Stars von morgen im Bereich der klassischen Musik. Für viele der jungen Talente bilden die Kurse einen wichtigen Baustein in ihrer musikalischen Karriere, und so festigt sich der gute Ruf der Musikbegegnungsstätte in aller Welt.“

Marteaus Karriere begann als zehnjähriger Wunderknabe, der 1884 in Reims vor großem Publikum debütierte. Es folgten mehr als 3000 Konzerte in Europa, Nordamerika und dem Nahen Osten. Seine musikpädagogische Laufbahn führte den Deutschfranzosen nach Genf an das Conservatoire de Musique und schließlich 1908 in der Nachfolge des Geigerfürsten Joseph Joachim an die Königliche akademische Hochschule für Musik in Berlin. Künstlerfreundschaften verbanden Marteau unter anderem mit Antonín Dvořák, Peter Tschaikowsky und Max Reger.

Nach Lichtenberg kamen Marteau und seine Frau Blanche durch einen Zufall. 1911 waren beide auf Einladung seines Freundes, des Dortmunder Musikdirektors Georg Hüttner, in das Ritterstädtchen gereist. Marteau war begeistert von der herrlichen Mittelgebirgslandschaft des Frankenwaldes und schuf sich am Ortsrand an der Lobensteiner Straße ein Sommerhaus, das nach dem Krieg zum ständigen Wohnsitz der Familie wurde.

Denn der Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 wurde zum tragischen Wendepunkt im Leben des gefeierten Violinisten: „Der französische Staatsbürger Marteau wurde unter Spionageverdacht verhaftet und interniert, an der Musikhochschule in Berlin wurde das Ende seiner Lehrtätigkeit besiegelt“, erinnert der Verwaltungsleiter des Hauses, Dr. Ulrich Wirz, an die Kriegszeit.

Marteau konnte an seine früheren Erfolge nicht mehr anknüpfen. „Viele Fürstenhäuser und ihr Kunst-und Kulturmäzenatentum waren im Gewittersturm aus Weltkrieg und Revolutionen hinweggefegt worden, der Glanz der teilweise sensationellen Triumphe als konzertierender Künstler war nur noch Erinnerung“, erläutert Wirz.

Bis zu seinem Tod konzertierte Marteau, wenn auch weitaus weniger erfolgreich als vor 1914, und hatte Meisterklassen in Prag, Dresden und Leipzig. Am Morgen des 4. Oktobers 1934 verstarb der große Geiger 60-jährig nach kurzer, schwerer Krankheit. Kondolenzschreiben aus aller Welt erreichten Marteaus Witwe Blanche und die Kinder Raymonde, Marcelle, Eugen und Mona. So beklagten der vormalige Kaiser Wilhelm II., König Gustav V. Adolf von Schweden oder der berühmte Dirigent Hans Knappertsbusch den großen Verlust für die Musikwelt. Rundfunksender ehrten den Verstorbenen mit Gedenkstunden und strahlten seine Werke aus.

Marteaus Ruhm mag verblasst sein, aber die Idee der musikalischen Verständigung über alle Grenzen hinweg lebt in den Meisterkursen und dem Internationalen Violinwettbewerb Henri Marteau weiter – zur Freude aller Klassikfreunde, die im sensationellen Konzertsaal unter Tage Konzerte der Spitzenklasse genießen.

www.haus-marteau.de

 

Mitteilungen